Wer bei Jan Dallmann und Vanessa Romberg in Otersen am großen Esstisch sitzt, das Kaminfeuer knistern hört, nach links in den Wohn-bereich und nach rechts in die offene Küche blickt, ahnt nicht, dass diese moderne Wohnung früher einmal der Heuboden der landwirtschaftlichen Anbauernstelle „Otersen Nr. 42“ war. Die dorfgerechte Entwicklung des Ortsbild-prägenden Gebäudes an der Landesstraße L 159 im Oterser Ortsteil „Im Sande“ wurde im Rahmen der Dorfentwicklung in der Region „von Bierde bis Wittlohe“ vom Amt für regionale Landesentwicklung in Verden gefördert. Entsprechende Vorgaben bezüglich der Form der Dachgaube, der roten Dachpfannen und der Holzfenster wurden eingehalten und ohne Landverbrauch ist eine neue, moderne Wohneinheit in einem 3 Generationen-Wohnhaus entstanden.
Mit am Esstisch sitzen an diesem Vormittag der 86-jährige Gerhard Dallmann, dessen Sohn Hartmut mit Ehefrau Martina und mit Enkel Jan Dallmann und Lebenspartnerin Vanessa Romberg die 3. Generation, die im Juli vergangenen Jahres die neu geschaffene Wohnung bezogen haben.
„Ich bin einmal rund im Haus“, berichtet Opa Gerhard von mehrfachen Umzügen in dem ehemaligen, landwirtschaftlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäude. So ist das, wenn in über 150 Jahren jede der sechs Generationen Um-, An- oder Ausbauten vornimmt – auch als Folge des Strukturwandels in der Landwirtschaft.
Begonnen hatte alles anno 1863 als ein Heinrich Storch die Anbauernstelle „Otersen Nr. 42“ gründete und erste Gebäude errichtete. Ab 1879 war Familie Dierks Eigentümer der Hofstelle. Das änderte sich erst, als Heinrich Dallmann sen. aus Stellichte im Heidekreis Emma Dierks aus Otersen heiratete. Die Eltern von Gerhard Dallmann hatten Anfang der 1930er Jahre den südlichen Anbau errichtet, den Gerhard 30 Jahre später „um 4 Meter nach Westen verlängerte“. Weitere Baumaßnahmen folgten in den 1970er und 1980er Jahren.
Der Strukturwandel in der Landwirtschaft machte aus Anbauern im Vollerwerb dann immer öfter Nebenerwerbs-Landwirte und zunehmend machte sich Leerstand in alten Stallgebäuden, in Scheunen und auf früheren Heuböden breit. Nachdem Familie Dallmann die Milchvieh-Haltung aufgegeben und die letzten Kühe verkauft hatte, baute Hartmut Dallmann den alten Kuhstall in Wohnraum um. In den 1990er Jahren wurde am Altbau die Dämmung und die Außenwand neu verklinkert.
Zur alten Hofstelle Dallmann gehören heute noch ein Stallgebäude, ein Wagenschuppen und das alte Kopfsteinpflaster – vermutlich anno 1863. In den 1990er Jahren gab es noch ein weiteres Nebengebäude, das Backhaus mit Getreidespeicher, das nach Aufgabe der Landwirtschaft leer stand. Rainer Dallmann als jüngster Sohn von Gerhard beendete vor über 20 Jahren den Leerstand und baute das Gebäude zum freistehenden Wohnhaus um.
2019 war wieder Baubeginn bei Dallmann´s – diesmal wurde Gerhard´s Enkel Jan aktiv, der mit seiner Freundin Vanessa aus Morsum „zur Miete“ wohnte und „unbedingt in Otersen bleiben wollte“. Aus dem ehemaligen Heuboden sollte eine neue Wohnung werden. Dazu musste aber das Dach des Altbaus erneuert, Dachgauben eingebaut und die neue Wohnung von der rückwärtigen Seite her über eine Außentreppe erschlossen werden. Ziel war eine dorfgerechte Gestaltung und deshalb kam das Dorfentwicklungsprogramm in der Region „von Bierde bis Wittlohe“ mit den 8 Dörfern aus den Landkreisen Heidekreis und Verden ins Spiel. Jan Dallmann lobte jetzt die gute Beratung durch die Dorfregion, durchgeführt von Architektin Karin Bukies. Zum Erfolg der Baumaßnahme trug auch das Amt für regionale Landesentwicklung in Verden bei. „Frau Hoferer und Frau Seidel leisteten gute Unterstützung und alle unsere Fragen wurden beantwortet“, erinnert sich Jan Dallmann an die gute Zusammenarbeit. Auf der alten Hofstelle des Heinrich Storch von 1863 ist somit die 4. Wohneinheit geschaffen worden. Leerstand in alter Bausubstanz wurde deutlich reduziert. Für diese neue Wohnung wurde kein Land zusätzlich verbraucht und versiegelt und so ganz nebenbei wurde ein 3 Generationen-Haus und der familiäre Zusammenhalt ermöglicht, so dass unterm gleichen Dachfirst der Generationen-Vertrag mit Leben erfüllt werden kann. „Der Dorfentwicklung in Niedersachsen sei Dank“, ist das Resümee des Gespräches am Esstisch in der neuen Wohnung – im alten, vitalisier-ten Gebäude.